Der mehrdeutige Glanz der Pagoden

Die Schwedagon-Pagode spiegelt sich im Kandawgyi, dem Königs-See
Die Schwedagon-Pagode spiegelt sich im Kandawgyi, dem Königs-See

Nicht nur die goldene Nadel der Schwedagon-Pagodein Yangon  verzaubert den Besucher. Dasselbe gilt für zahlreiche andere religiöse Bauwerke im ganzen Land, die seit den Zeiten des ersten birmanischen Großreichs mit seinem Zentrum in Bagan im 11. Jahrhundert entstanden sind. Schwe heißt "Gold" und Dagon war der Name der Siedlung, aus der das heutige Yangon herausgewachsen ist. Das Gold auf der Pagode ist echt und wird regelmäßig unter staatlicher Aufsicht erneuert. Die Mittel dazu kommen aus Spenden und den Gebühren, die der ausländische Tourist für den Besuch zahlen muss. Diese Spenden helfen dem Spender, gutes Kamma zu erwerben, sie sind eine verdienstvolle Tat (das Pali-Wort kamma bedeutet "Tat"). Damit sind sie eine Investition in die Zukunft des eigenen Lebens über den Tod hinaus auf dem Weg zum Endziel der Erlösung, dem Ausstieg aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Der geschieht durch das Verlöschen ins Nirwana hinein. Der Buddha wurde 547mal wiedergeboren bis er die Erleuchtung erlangte, so wird erzählt. Die Geschichten dieser vielen Leben, die Jatakas, sind beliebte Beispielgeschichten dafür, wie man dieses Ziel erreichen kann.

Die folgende Bildergalerie entstand bei einem abendlichen Besuch der Pagode im November 2013

 

Die politische Dimension

Das Bild vom Geldautomaten auf der Plattform der Pagoda weist darauf hin, dass man die Spenden, denen die Pagoden Myanmars ihren Glanz verdanken, auch als eine Art von Ablasshandel sehen kann. Oder auch als eine Verhinderung wirtschaftlichen Wachstums, wie es ein Mitglied der Familie Hagenbeck Anfang des 20. Jahrhunderts bemerkte. Er kam auf der Suche nach neuen Bewohnern des Hamburger Tierparks nach Birma und bemerkte trocken, dass das Land wirtschaftlich auf die Beine kommen werde, wenn seine Bewohner ihr Geld nicht besser investierten.

Dieses Denkmal steht an der Stelle auf der Schwegon-Pagode,an der sich im Jahr 1920 neun Studenten am College der Stadt trafen, um einen heiligen Eid abzulegen. Sie schworen, sich mit ihrem Leben für den Kampf gegen die Errichtung einer Universität in Rangun einzusetzen, die von der britischen Verwaltung geplant worden war. Der folgende landesweite Streik von College-Studenten und Schülern richtete sich nicht gegen höhere Bildung, sondern eine "Sklavenerziehung" im Sinne der ausländischen Kolonialherren. Er war der Beginn des nationalen Kampfes gegen die britische Herrschaft. Der erste Streiktag ist bis heute in Myanmar Nationalfeiertag und wird nach dem birmanischen Mondkalender begangen. Im gregorianischen Kalender fällt er auf einen Tag zwischen Mitte November und Mitte Dezember.

Die Schwedagon-Pagode ist gleichzeitig ein religöses und politisches Symbol. Beides ist nicht voneinander zu trennen.

Das hängt damit zusammen, dass die Briten Ende 1885 den birmanischen König nach dem Ende eines siegreichen Feldzugs ins Exil nach Indien gebracht hatten. Damit hatte der Buddhismus ihren Schutz durch den obersten Hüter von Recht und Ordnung verloren. Der britische König als das neue Oberhaupt der Kolonie konnte diese Funktion nicht übernehmen, denn der war kein Buddhist. Die Politisierung der Religion war die Folge dieses Vakuums. Die Führer des Streiks legetimierten ihre Aktionen ebenso religiös wie viele ihrer Nachfolger.

Der nächste von Studenten geführte Streik gegen die Briten fand im Jahr 1936 statt und wurde von einem jungen Mann namens Aung San angeführt. Wie ihre Vorgänger schlugen die Streikenden ihr Hauptquartier auf der Schwedagon-Pagode auf. Die Mönche hatten ihnen hier Quartier gewährt. Der Streik an sich war ebenso erfolglos wie der von 1920. Damals war die Einrichtung der Universität nicht verhindert worden, jetzt gab es keine grundlegende Reformen. Aber Aung San und andere Streikführer wurden zu Helden. Aung San erreichte als Führer der von ihm unter japanischer Anleitung geründeten Nationalarmee die Unabhängigkeit.

Im August 1988 war es dann seine Tochter, die an der Schwedagon-Pagode ihre erste große Rede hielt. Ihr Vater war 1947 kurz vor der feierlichen Deklaration der Unabhängigkeit ermordet worden. Ihr Auftritt war von Studenten vorbereitet worden. Sie hatten ein überlebensgroßes Portrait von Aung San anfertigen lassen, das sie als die Erfüllerin seines unvollendeten Erbes legitimierte. Dazu am der symbolträchtige Ort und ihre persönliche Ausstrahlung. Sie ist bis heute die Königin der Herzen.

Der Große Erwählte

Darstellung aus Sri Lanka
Darstellung aus Sri Lanka

Um die buddhistisch-birmanischen Wurzeln von Demokratie zu erklären, hat Aung San Suu Kyi auf einen alten Text zurückgegriffen, der von der Ur-Wahl des ersten Königs auf Erden erzählt und sich im Agganna-Sutta des buddhistischen Kanons findet. Zu beginn drr menschlichen Geschichte drohte das gesellschaftliche Chaos. Um es zu verhindern, wählten die Menschen einen Herrscher, den "ansehnlichsten, fähigsten und tugendhaftesten" unter ihnen. Er solle für Recht und Ordnung sorgen und erhielt dafür als Gegenleistung einen Anteil der Reisernte. Die Wahl, so ist zu schließen, erfolgte einstimmig und auf Lebenszeit.

Dieser Herrscher ist an die Tugenregeln des Buddha gebunden. Zu denen geört, dass er nichts unternehmen darf, das dem Willen des Volkes entspricht. Aung San Suu Kyi hat das einen Sozialvertrag genannt. Dieses monarische Modell dominiert die politische Realität in den Ländern des Theravada-Buddhismus bis heute. Es kann immer nur einen Großen Erwählten - oder eine Große Erwählte - zur Zeit geben. Die Idee einer parlamentarischen Opposition, die mit knapper Mehrheit einen früher gewählten politischen Führer abwählt, hat da keinen Platz. Und interessanterweise haben Wahlen in Birma bisher auch immer ein Ergebnis gehabt, das nahe an den 100% lag. War das nicht der Fall, gab es eine Staatskrise.

Der Preis der Macht

Die Shwezigon-Pagode in Nyaung-Oo, dem heute größten Ort in der Region von Bagan, wurde von dem ersten König eines Imperiums unter birmanischer Herrschaft, Anawratha, erbaut. Das Fundament betseht aus einem Zahn Buddhas, der aus Sri Lanka kam. Alle Pagoden sind Reliquienschreine im Andenken an die Lehre, die der Buddha zu Lebzeiten verkündete. Anawrahta machte sie zur Grundlage seines Reiches. Sie legitimierte seine Herrschaft, er unterstützte sie wie seine Mitarbeiter und Untertanen auch. In der Tradiion des Maha-Sammata sorgte er für Frieden und Wohlstand und erhielt dafür die Unterstützung des Volkes. Die Pagoden, die er und seine Nahcfolgten bauten, kompensierten sein berufsrisiko als oberster Feldherr, dessen Beruf es war, töten zu müssen und damit eins der fünf buddhistischen Tugendregeln zu übertreten. Aber die etwa 4.000 Pagoden, die im Lauge der nächsten zwei Jahrhunderte in Bagan entstanden, Bauwerke dienten nicht nur dem privaten Heil ihrer priviligierten Erbauser, sondern auch den Menschen, die sie erbauten und die sie unterhielten. Die Tugend des Gebens (Pali: dana) hatte immense wirtschaftliche Folgen. Um die Pagoden herum gab es Felder, die angebaut wurden, um die Mönche und die Tempel zu unterhalten. Wer sich hier als Tempelsklave verdingte, war vom Wehrdienst und von der Arbeit für den König befreit. Damit untergrub der Bau von Tempeln, die die Blüte des Landes symbolisieren und festigen sollten, diese Blüte. Wo zuviel Reichtum in die Pagoden investiert wurde, blieb nichts mehr für den Staatshaushalt.

Die bis heute beeindrckenden Überreste der Pagoden Bagans - die aus Holz erbauten Paläste sind längst verschwunden - sind Zeichen für den hohen Preis, den die Eliten von Bagan und der folgenden Königreiche für den Erhalt ihrer Herrschaft und ihr individuelles Seelenheil gezahlt haben.

Mandalay - Ein letzter Aufschwung vor dem Ende

Die Kuthodaw Pagode in Mandalay wird auch das größte Buch der Welt genannt. Sie wurde - nach dem Vorbild von Anawrahtas Shwezigon in Bagan - im Jahr 1868 in Mandalay gebaut, elf Jahre nachdem König Mindon hier eine neue Stadt als das neue Zentrum seines Reiches anstelle der bisherigen Hauptsadt Amarapura zu erbauen begonnen hatte. Ein ähnlicher Umzug erfolgte etwa 150 Jhre später als die birmanische Militärjunta die Hauptstadt des Landes von Yangon nach Naypyidaw verlegte und in der neuen Metropole eine Replik der Schwedagon-Pagode erbaute.

Die Kuthdaw-Pagode wird auch das größte Buch der Welt genannt. Auf 729 Marmortafeln ist der Tipitaka, der "Dreikorb" der buddhistischen Schriften, aufgeschrieben. Einige Jahre später berief der König dann ein buddhistisches Konzil nach Mandalay ein, das erste nach 2.000 Jahren. Die auf den Marmortafeln aufgeschriebenen Texte wurden rezitiert und es wurde bestätigt, dass der Text korrekt war.

Die Pagode und de nach Mandalay einberufene Synode legitimierten die neue Hauptstadt und ihren Erbauer. Sie unterstützten die Hoffnung, dass das königliche Birma nach dem im Jahr 1852 verlorenen zweiten Krieg gegen die Briten und dem damit verbundenen Verlust des direkten Zugangs zur Küste eine glorreiche Zukunft hatte.

 

Noch ein Neuanfang, noch eine Pagode, noch eine buddhistische Synode

Die Hoffnung des reformorientierten Königs Mindon trog. Seien Versuche, sein Land zu modernisieren, waren nicht wirklich erfolgreich. Vor allem aber gelang es dem König nicht, einen geeigneten Nachfolger aufzubauen. So kam nach seinem Tode im Jahr 1878 als Ergebnis eines Machtkampfes am Hof der 19jährige Prinz auf den Thron. Zugleich wurden an die 89 Prinzen und Prinzessinnen, die dem neuen König den Anspruch auf Legitimität streitig machen konnten, getötet. Das geschah in Anwesenheit von ausländischen Botschaftern, die das Ereignis natürlich als barbarisch verurteilten. Damit war ein Grund für den dritten und letzten anglo-birmanischen Krieg gegeben, der in der heutigen Terminologie den Schutz der Menschenrechte zum Inhalt hatte.

Das linke Bild zeigt die Kaba Aye Pagode in Yangon. Daneben ist der Eingang zu einer großen künstlichen Höhle zu sehen. Beide Bauwerke wurden vom ersten Premierminister Birmas, Nu, in Auftrag gegeben. Sie waren der Ort für die 6. buddhistische Weltsynode, die von 1954 bis 1956 in der Hauptstadt des im Januar 1948 unabhängig gewordenen Birma abgehalten wurde. Mit der Synode waren dieselben Hoffnungen verbunden wie mit der von Mindon einberufenen. Wieder ging es um die religiöse Untermauerung politischer Herrschaft und darüber hinaus auch den Anspruch, damit ein Zeichen für die Welt zu setzen. Kaba Aye bedeudet "Weltfrieden". Die Mönche in der Höhle bemühten sich um eine korrekte Neufassung der buddhistischen Schriften und erarbeiteten auch eine autoritative englisch sprachige Version.

Die große Ausnahme: Aung San

Der traditionell-fromme Buddhist Nu wurde Ministerpräsident, nachdem sein jüngerer Weggefährte und designierte Führer des Landes 1947 von einem politischen Rivalen ermordet worden war. Aung San - hier in einer Collage zusammen mit seiner Tochter - stand dem Einfluss der Religion auf die Politik höchst kritisch gegenüber. Er betonte den philsophischen Kern des Buddhismus und hatte vor, nach dem siegreichen Kampf um die Unabhängigkeit die Anzahl der Mönche im Lande drastisch zu reduzieren. Die in der Verfassung Myanmars von 2008 enthaltene Passus, dass Religion nicht für politische Zewcke genutzt werden kann, geht auf ihn zurück. Es ist nicht anzunehmen, dass er auf die Idee gekommen wäre, seine Regierung durch den Bau einer Pagode zu legitimieren.

Die Pagode neben der Schwedagon

Ein solcher Bau wurde dann in seinen letzten Jahren an der Spitze der Regierung von Nus Nachfolger Ne Win in die Wege geleitet, wobei wieder die Shwezigon in Bagan das Vorbild war. Der General und Kampfgefährte Aung Sans stürzte 1962 die Regierung Nus und leitete danach den "Birmanischen Weg zum Sozialismus" ein. Eine Verfassung wurde erarbeitet, die 1974 in Kraft trat. Ne Win legte seine Uniform ab und wurde der zivile Präsident des Landes und Vorsitzender der sozialistischen Einheitspartei des Landes. Die beschloss im Jahr 1980 ein Gesetz, dass die Verfassung der Mönchsgemeinschaft regelte und unter staatliche Kontrolle brachte. Damit wurde an die Tradition der birmanischen Könige angeknüpft.

Zu Ehren der mit dem Gesetz erreichten Einheit der verschiedenen buddhistischen Sekten wurde 1980 die Maha Wizaya Pagode eingeweiht. Sie gilt gemeinhin als die Pagode Ne Wins, der den Akt der Einweihung durch das Aufsetzen des Schirms (hti) an der Turmspitze vornehm. Die Pagode steht direkt neben der Schwedagon, was als ein Zeichen für das Selbstbewusstsein des langjährigen ersten Mannes Birmas angesehen werden kann.

Ein Zahn Buddhas und seine Pagode

Auch die Generäle, die den Volksaufstand von 1988 beendeten, versuchten sich als gute buddhistische Regenten darzustellen. Ein Ergebnis ist der Bau der Swe-daw-myat Pagode in Yangon, die architektonisch der Ananda-Pagode in Bagan nachempfunden ist. Sie beherbergt eine Nachbildung eines Buddhazahns. Der Zahn selbst befindet sich in Beijing und ist schon häufiger auf Reisen gegangen, dazu auch mehrfach nach Birma und Myanmar. Er war schon zu Zeiten Nus im Lande und wurde von der Bevölkerung verehrt. Diese Zahn-Diplomatie setzte sich nach 1988 fort. 1995 gab es in diesem Zusammenhang eine Bombenexplosion in der Höhle neben der Kaba-Aye Pagode, wo der Zahn der Bevölkerung gezeigt wurde. Im November 2011 kam er ein weiteres Jahr in Myanmar. Das obige rechte Bild zeigt, wie er in der für das sechste Konzil gebauten Versammlungshalle von Mönchen (rechts) und Laien begrüßt wird.

Der größte Marmor-Buddha der Welt und seine geänderte Geschichte

Dies sind Ansichten aus der 2002 fertig gestellten Kyauk-daw-gyi Pagode am Rande Yangons, die den größten Marmor-Buddha der Welt beherbergt. Damit er nicht unter Luftverschmutzung leidet, steht er hinter Glas. Die Geschichte vom Auffinden des großen Marmorblocks in Oberbirma, die Erstellung der Skulptur und der Transport nach Yangon wurden in vier Deckengemälden in der Pagode dargestellt. Auf den Bildern ist deutlich zu sehen, dass der Erste Sekretär der Mililärjunta, Khin Nyunt, die treibende Kraft des Prjektes war.

Auf dem linken Bild erklärt er als zweite Figur von links drei Mönchen, einigen Zivilisten und einem anderen Militär, dem heutigen Präsidenten Myanmars, Thein Sein, der damals der zweite Sekretär der Junta war, was da ins Werk gesetzt wird. Auf dem rechte Bild steht er in der Mitte. Die beiden Militärs an seiner Seite sind die Generäle Than Shwe (rechts) und Maung Aye (links), die beiden Führer der Militätjunta. Die beiden servierten Khin Nyunt, der im August 2003 zum Premierminister ernannt worden war, im Oktober 2004 ab. Er war ihnen zu einflussreich geworden und wurde wegen diverser Vergehen zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, die er allerdings im Hausarrest vebüßen konnte.

Dies Ereignis hatte auch für die Deckengemälde Folgen. Die Darstellungen Khin Nyunts wurden übermalt. Heute sehen die beiden Bilder so aus:

Auf dem linken Bild ist Khin Nyunt durch einen Mönch ersetzt worden, auf dem rechten Bild durch einen Zivilisten. Than Shwe und Maung Aye, die sich mittlerweile im Ruhestand befinden, sind immer noch da. Thein Sein, der heutige Präsident, wurde dagegen auch ersetzt. An seiner Stelle ist ein anderer Militär zu sehen.

Diese Übermalungen lassen sich als eine Geschichtsfälschung sehen oder - im buddhistischen Sinne - als eine Manifestation eines buddhistischen Grundprinzips, des Gesetzes der Unbeständigkeit (anicca).

Back to Square One

Dies Bild zeigt nicht die Schwedagon-Pagode in Yangon, sondern eine Replika der großen Pagode in der neuen Hauptstadt Naypyidaw. Die Uppasanti ("Schutz gegen Unglück") Pagode ist nur 30 cm (1 Fuß) niedriger wie ihr 99 m hohes Vorbild und beschützt das neue Myanmar wie es ihre Vorgänger in den früheren Perioden der birmanischen Geschichte taten.

 

Die Macht braucht in Myanmar immer noch die Herrlichkeit der Pagoden. ob das hilfreich sein wird, muss angesichts der früheren Erfahrungen bezweifelt werden. Eine Reformation des Verhältnisses von Staat und Religion tut not. Ob das unter der neuen Regierung unter Aung San Suu Kyi geschehen wird, ist eine der spannendsten Fragen für die Zukunft des Landes.