Vom Stil her könnte man sich diese Kirche auch in Deutschland vorstellen. Sie heißt Bethlehem Lutheran Church, steht in Yangon in der Thein-byu Street, Hausnummer 181-183, und geht auf die Tätigkeit deutscher Missionare zurück. Ihr Grundstein wurde am 400. Jahrestag der Reformation, am 31.10. 1917 gelegt, die Gemeinde war schon 40 Jahre vorher, im Jahr 1878, begründet worden.
Diese Gemeinde, die sich hier traf, war eine meiner ersten Anlaufstellen in Birma und vermittelte mir meine ersten Eindrücke über das Christentum in diesem Land. Ich bin selbst lutherischer Pastor und hatte den Auftrag, die schon bestehenden Kontakte zur Gemeinde fortzusetzen. Ich traf im düsteren Gemeindebüro auf einen älteren ebenfalls sehr düster wirkenden Pfarrer indischer Herkunft, der mir unter anderem dadurch übermäßige Ehrerbietung erwies, dass er mich hartnäckig als "Doktor" titulierte. Außerdem wurde von mir bei meinem ersten Besuch angetragen, dass ich im nächsten Gottesdienst die Predigt halten solle. Das fand ich eine Zumutung, da ich nicht wusste, zu wem ich da sprechen würde und ob mich überhaupt jemand verstehen würde. Ich konnte ja nur Englisch reden, hatte aber das Gefühl, ich hätte auch auf Deutsch predigen können, so fremd war mir die Lebenswirklichkeit dieser Gemeinde, die damals gleichzeitig die Lutherische Kirche in Birma repäsentierte.
Dieses Gefühl der Fremdheit gegenüber den Kirchen und Gemeinden in Myanmar hat sich bis heute nicht gelegt, trotz der vielen Kontakte zu den Christen und Kirchen im Lande, die ich inzwischen aus unterschiedlichen Anlässen gehabt habe.
Von dieser mittlerweile "vertrauten Fremdheit" soll im Folgenden noch etwas ausführlicher die Rede sein.
Dis Bild zeigt den Einzug von Bischof Andrew Mya Han (Mitte) im Mai 1988 in die anglikanische Kathedrale von Yangon, die den Namen der Heiligen Dreieinigkeit (Holy Trinity) trägt. Der Bischof wurde am 24. April 1988 in sein Amt eingeführt.Ich erinnere mich an einen ungemein stilvollen hochkirchlichen Gottesdienst, der auch in England in de Kathedrale von Canterbury hätte stattfinden können - und danac an eine völlig zwanglose Feier im ganz kleinen Kreis, bei der Bier getrunken und viel gelacht wurde.
Dieses Bild ist einige Jahre früher aufgenommen. Damals war Andrew Mya Han Generalsekretär des Burma Council of Churches (BCC), des birmanischen Kirchenrats.Das Gremium war der Partner der westlichen Kirchen, die den notleidenden birmanischen Gemeinden und ihren Menschen zu helfen suchten. Andrew hatte den Kirchenrat modernisiert und mit Hilfe von Gelder, die zu einem großen Teil aus Deutschland kamen, ein neues Gebäude erbauen lassen, in dem Mitarbeiter zahlreicher neuer Abteilungen ihrern Platz fanden. Er war in meinen Augen ein moderner Kirchenfürst, mit beiden Beinen auf der Erde und zugleich ein Mann, der Kontakte zur künstlerischen und literarischen Szene des Landes über die Grenzen von religlöser und ethnischer Zugehörigkeit hatte und sie mit seinem deutschen Besucher teilte.
Andrew Mya Han starb im Mai 2006, nachdem er 2001 sein Amt als Bischof aus Altersgründen aufgegeben hatte. Ich wurde wieder an ihn erinnert, als ich eine Biographie von ihm las, die im Rahmen eines kleinen Projektes entstanden war, mit dem für Ausländer ein Einblick in die birmanische Christenheit und ihre Beziehungen zur birmanisch-buddhistischen Mehrheitsgelsschaft gegeben werden werden sollten. Die Biographie des Bischofs war die erste von 50, die wir zu lesen bekamen und für eine Veröffentlichung in Deutschland zu bearbeiten versuchten. Sie war geschrieben von einer pensionierten Professorin für internaionale Beziehungen, die - wie sich herausstellte - die jüngste Schwester des Portraitierten war. Hier ist die deutsche Übersetzung der zusammenfassenden Würdigung des Bischofs durch seine Biographin:
Als ein Junge war er ein gutmütiges Kind, das seine Eltern und seine Verwandten gern hatten. Er war freundlich, hilfsbereit und machte den ihm Nahestehenden keinen Ärger. Während des Zweiten Weltkriegs bewies er als Teenager seine Freundlichkeit und mitmenschliche Natur. Diese barmherzige Haltung übernahm er von seinem Vater, der während des Krieges 13 hilflose blinde Schüler behütete Nach Ausbruch des Krieges floh seine Familie in ein Damange genanntes Dorf im Bezirk von Nattalin (Im Pyi Distrikt). U Po Ke, der Vater, und die Familie sorgten für die blinden Schüler mit barmherziger Liebe und zartem Mitleid. A. Mya Han zusammen mit seinem älteren Bruder half dem Vater in jeder Hinsicht, um den Schülern in ihren täglichen Verrichtungen zur Seite zu stehen.
Auch war er seinen Geschwistern ein liebevoller Bruder. Er war freundlich und und ein fröhlicher Typ allen seinen Freunden gegenüber, seien es Jungen oder Mädchen. Unter seinen weiblichen Freunden war er ein Liebling. In seinen Tätigkeitsfeldern war er pflichtbewusst und gewissenhaft. Vor allem war er ein weitsichtiger und gewitzter Führer. Daher trug er vielfältig zur materiellen wie spirituellen Wohlergehen seiner Mitchristen bei. Seine Leistungen in der Förderung des Fortschritts und des Gedeihens der Kirche in der Provinz von Myanmar im allgemeinen und der Diözese von Yangon waren denkwürdig. Seine Bemühungen um die Unterstützung und Besserung der Ökumene und der Einheit der Kirche verdienen Preis. Das Motto, das er den Anglikanern gab, war : GEHT, SCHAFFT und SAMMELT in der Evangelisation von Menschen fern und nah. Während seiner Amtszeit wurde dies Motto teilweise erfolgreich begonnen, aber nach ihm wurde es verworfen und verwelkte als die Leute das Motto und den Mentor vergaßen.
In einem solchen Stil von Heiligenlegenden waren die meisten der Biographen verfasst. Eine erste Reaktion aus dem ünfköpfigen Redaktionskreis von christlichen Freunden Myanmars war: Das kann man Deutschen Lesern nicht zumuten. So etwas will keiner lesen. Was übersetzt für das Verhältnis von Christen in Deutschland zu ihren "Schwestern und Brüdern" im asiatischen Land heißt: Ihr seid uns völlig fremd. Uns trennt ein breiter Graben, der nicht oder kaum überbrückt werden kann. Das wiederum wirft die Frage auf, auf welcher Basis denn die Entwicklungszusammenarbeit zwischen den kirchlichen Agenturen beider Seiten steht, die nach dem jüngsten "Tauwetter" in Myanmar deutlich intensiviert werden soll.
Für die Diskussion solcher Fragen gibt es bisher weder in der Kirche noch in der deutschen Gesellschaft als Ganzes ein Forum.