Meine Geschichte mit Smith hat eine ganz besondere Note. Er war nach den Mitgliedern der Familie Andrews in der Lutheran Bethlehem Church einer der ersten Christen, die mir im Lande begegneten und unsere Beziehung dauert bis heute an. Als ich Mitte der 80er Jahre zum ersten Mal den birmanischen Kirchenrat besuchte, wurde mir Smith als Gesprächspartner zugewiesen. Er hatte einige Zeit in Bochum studiert und sprach einieg Worte deutsch. Ansonsten war er im Rat für Beziehungen mit dem Ausland zuständig. Er stammte aus den Chin Bergen und sein Vater hatte ihm den weltläufigen Vornamen "Smith" gegeben, damit er es außerhalb seiner engen Heimat leichter haben solle. Das hat offnbar geklappt.
Smith war über Jahre hinweg mein wichtigster lokaler Informant zu Lage in Myanmar. Er war außerordentlich vorsichtig in seiner Beschreibung der jeweiligen Situation und gewissenhaft in seinen Urteilen. Ich erinnere mich daran, dass er große Probleme mit dem Neubau des Hauptquartiers des Kirchenrats gegenüber der Judson Church in der Pyi Rd. hatte, die nach dem amerikanischen Baptistenmissionar Adoniram Judson benannt ist. Das Geld kam zu einem guten Teil aus Deutschland, aber es konnte nur mit Zustimmung der Regierung bei der Kirche landen und da ließ sich Korruption kaum vermeiden. Eine zweite Erinnerung betraf die Zukunft des Landes unter der Militärjunta Anfang der 90er Jahre. Smith meinte, man müsse wohl noch Jahrzehnte mit dieser Herrschaft leben, alle anderen Optionen wie ein gewaltsamer Aufstand seien nicht wünschenswert. Die jetzigen Machthaber würden nicht ewig leben. Die Kirchen könnten aber schon ein wenig mehr Flagge zeigen als sie es täten, etwa mit politischen Gebetsgottesdiernsten wie er sie in Deutschland kennengelernt hatte.
2001 wurde Smith zum Generalsekretär des Myanmar Council of Churches gewählt, nachdem er vorher zum Pastor ordiniert worden war.
Fünf Jahre später verlor er den Posten. Er hatte einige 100.000 Dollar unterschlagen, um damit an eine Spende von einer halben Million für kirchliche Zwecke zu gelangen, die ihm von einer in Italien operierenden Organisation angeboten worden war, Ein großer Teil des unterschlagenen Geldes kam aus Deutschland und brachte den Evangelischen Entwicklungsdienst in Erklärungsnöte gegenüber seinen Geldgebern von der Bundesregierung. Man war dort wie auch andernorts der Meinung, Smith habe einen Teil des Geldes für sich abgezweigt.
Ich war und bin sicher, dass dem nicht so war. Smith war als Generalsekretär des MCC zugleich auch Geldbriefträger. Er galt allgemein als völlig vertrauenwürdig und brachte aus Thailand für den MCC bestimmte Gelder mit. Ein Controlling gab es im Kirchenrat nicht. Smith war allein mit der Verantwortung und landete so in einer "Vertrauensfalle". Als er den Gaunern in Italien die erste kleine Summe gezahlt hatte, mit der einige Formalitäten bezahlt werden sollten, kam er von dem einmal geschluckten Haken nicht mehr los.
Smith verlor seinen Posten, seine Dienstwohnung und sein Gehalt, nicht aber seine Freunde und sein soziales Prestige. Einige deutsche Freunde, die ihn wie ich im Lauf der Jahre schätzen gelernt hatten, finanzierten einige Jahre lang eine Wohnung für ihn und seiner Familie in der ähe seiner geistlichen Heimat, der Judson Church. Hier wwar er ehrenamtlich als Pfarrer tätig. Weiter gab er Unterricht an verschiedenen theologischen Colleges. 2009 organisierte er die Kontakte zum Myanmar Institute vof Theology, die zu einem einwöchigen Seminar zwischen Theologen aus Myanmar und Deutschland führte, auf dem beide Seiten Vorträge hielten, die dann miteinander diskutiert wurden. Aus Anlass seines 65. Geburtstag wurde für ihn eine Festschrift erstellt.
Smith' Geschichte ist für mich ein Bespiel dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen im Lande und dem Ausland zwei sehr unterschiedliche Seiten hat. Privat gibt es enge Kontakte, institutionell trennen uns Welten. Das Gemeinsame der Beziehungen auf der Ebene der offiziellen Kontakte wird durch das Geld gestiftet, das von West nach Ost transferiert wird.